Aus Abwasser Gold
Inzwischen ist in Frankreich das sog. Eintrittsgeld verboten. Finanztechnik heißt aber auch, Verbote aller Art geschickt zu umschiffen. Und diese Disziplin beherrscht Veolia im internationalen Geschäft natürlich ebenso. 2005 kaufte der Konzern nach den Stadtwerken auch die Abwasserwirtschaft Braunschweigs. Der einstige NPD-Mann und jetzt für die CDU antretende OB Dr. Gert Hoffmann jubelt: Gebührenstabilität für 10 Jahre vereinbart! Und mit über 240 Mio. € ein außerordentlich hoher Privatisierungserlös! 
Peter Rosenbaum, Braunschweiger Unternehmer, ist verwundert. In seinen Büchern kann er teilweise bis ins 19.Jh. nachweisen, dass die Eigentümer als Anlieger den Bau der Abwasseranlage rund um die Grundstücke zu großen Teilen selbst bezahlen mussten. Zudem erhielt die Stadt bereits zu DM-Zeiten 300 Mio. DM von der ausgegründeten Stadtentwässer als Ausgleich für die Steueraufwendungen beim Bau der Abwassereinrichtungen. Wie kann die Stadt etwas veräußern, in dem nachwieslich keinerlei Steuergelder stecken?  Peter Rosenbaum und eine Sammlung von Bürgerinitiativen gründen die Bürgerliste „Unser Braunschweig" mit dem Anliegen, die Vorgänge um die Veräußerung öffentlichen Eigentums an Veolia aufzuklären. Erste Recherchen bringen die größte Uberraschung: Statt 240 Mio.€ zahlt Veolia nur 24 Mio. € für Brauschweigs Stadtentwässerung. Der Rest des „Kaufpreises" stammt komplett aus einem Kredit des Braunschweiger Abwasserverbandes. Der verpfändete dafür die Gebühreneinnahmen der nächsten 30 Jahre. Für die Tilgung ist die Stadt verantwortlich ist. Das heißt Braunschweigs Bürger zahlen faktisch 90% des Kaufpreises - und das mit Einredeverzicht. D.h. innerhalb der nächsten 30 Jahre muß die Stadt den Kredit samt Zins und Zinseszins zurückzahlen ganz unabhängig davon, ob Veolia noch Leistungen erbringt, sich zurückgezogen oder Insolvenz angemeldet hat! Der Globalplayer Veolia erhält als „Gegenleistung" dafür kostenlos das Nutzungsrecht an Braunschweigs Abwasserkanälen.
Ungläubige Verblüffung folgt, als Rosenbaum bisher geheim gehaltene Verträge in die Hände bekommt: Selbst die 24 Mio. des „realen Kaufpreises" stammen aus einem von der Stadt ermöglichten Kredit. Auch hierfür wird ein Teil der Gebühreneinnahmen verpfändet, natürlich auch mit Einredeverzicht, dies alles, damit „der arme Investor" keine Eigenmittell einsetzen muß, Und damit nicht genug: Veolia fand in den Kassen der Neuerwerbung 38 Mio. Einlagen vor, die die Stadt dem Globalplayer als „Rücklage für künftige Ertragsrisiken" überlassen hatte! Veolia hat somit auch rein rechnerisch summa summarium keinen Cent für die Neuerwerbung aufgewendet. Den Kaufpreis zahlen allein Braunschweigs Bürger und die Gebührenzahler der kommenden Generation!

Die Liste „Unser Braunschweig"ist inzwischen ins Stadtparlament eingezogen und macht eine neue Entdeckung: Mit der wundersamen Art der Bezahlung der Neuerwerbung will der französische Konzern den Betrieb auch künftig betreiben. Man werde weniger reparieren, dafür aber das Kanalnetz durch großzügige Neuinvestitionen in Ordnung halten, verkündet eine Pressemitteilung des Konzerns. Investitionen aus eigenen Mitteln? Natürlich nicht! Für die Investitionsmittel ist im Konzessionsvertrag vereinbart, dass dem Konzern über 30 Jahre jährlich mindestens 7,5 Mio. € weitere Kredite gewährt werden. Und auch für diese werden die künftigen Gebühreneinnahmen verpfändet. So müssen Braunschweigs Gebührenzahler nach Ablauf der 30 Jahre zusätzlich die Investitionsaufwendungen des Betreibers ablösen, also einen summierten Kredit von mindestens 215 Mio. €. 
Jetzt möchte Veolia von der Stadt auch noch den Namen „Braunschweiger Stadtwerke" kaufen. Das Unterkriechen unter den alteingeführten Leitbegriff lokaler Kommunalwirtschaft ist dem Globalplayer einiges wert. Rosenbaum ist schon gespannt, wer diesen Etikettenschwindel bezahlen wird ...?

Die Frage, wieso Politiker ohne Not öffentliches Eigentum praktisch verschenken und die Bürger darüber hinaus noch derart belasten, hat in der CDU-Hochburg Braunschweig die Bürgerliste „Unser Braunschweig" stark gemacht. Seither fühlt sich OB Hoffmann bedroht und hat selbst seinen Gang zur Toilette im Stadtparlament mit Sicherheitsglas separiert. Kritische Fragen zur Privatisierung beantwortet er immer nur mit der Feststellung: „Mit der Privatisierung wird es keinem Bürger schlechter gehen". Im Gegenteil, Braunschweig sei auf dem richtigen Weg, was das sehr gute Abschneiden Braunschweigs mit Platz 14 beim Ranking der 50 größten Städte Deutschlands in der Wirtschaftswoche belege. Besonders erfreulich sei , dass die Stadt bei der Bewertung der Sparsamkeit und des Schuldenabbaus sogar den ersten Platz belegt. Denn Braunschweig sei mittlerweile schuldenfrei .... Nicht aber, wenn man die verdeckten Kredite der Stadt hinzurechnet, kontert Peter Rosenbaum. Schließlich sei der angebliche Verkaufserlös für Braunschweigs Abwasser nichts anderes als ein verdeckter Kredit - in Worten des OB Hoffmann „fremde Kredite", die den großen Vorteil haben, nicht im städtischen Haushalt aufzutauchen. Bei einem jährlichen Haushalt von 600 Mio. zahlt die Stadt Braunschweig infolge der Abwasserprivatisierung jetzt schon 318 Mio. summierte „fremde Kredite" ab!

2004 hatte der texanische Konzern TXU 74,9% die Brauschweiger Stadtwerke gekauft. Die große Hoffnung war, Braunschweig werde das Zentrum der europäischen Expanision des Konzerns. Kein Jahr später meldet TXU Konkurs an. Und der englische Konkursverwalter verkaufte die TXU-Anteile an Veolia, einen stabilen, weltweit expandierenden Konzern. Mittlerweile gehört Veolia ein Großteil der öffentlichen Versorgung Braunschweigs. Dr. Ulrich Lehmann-Grube schaffte es als Vorstandsvorsitzender von BS/Energy und zuletzt auch Vorsitzender der Geschäftsführung von Veolia Wasser das „Modell Brauschweig" als das Erfolgsmodell im Weltkonzern zu etablieren. Seit September 08 sind Veloia-Aktien aber im freien Fall (von knapp unter 50€ auf 15€ im März 09). Veolia entdeckt nun einen dringenden Kapitalbedarf. Allein in Deutschland sollen in 3 Jahren Beteiligungen im Volumen von 3 Mrd. € verkauft werden, allein dieses Jahr sollen dadurch schon 1 Mrd. € zusammenkommen. Man will Investitionen massiv zusammenstreichen. Im März 09 muß Dr. Lehmann-Grube seinen Hut nehmen. Seither überschlagen sich Gerüchte und selbst auf einer betriebsversammulung gibt es nur noch ein Thema: Ist BS/Energy das Juwel, das Veolia verkaufen will/muss?